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Warum 1SB-LSD und mehrere Tryptamine ab sofort verboten sind

Warum 1SB-LSD und mehrere Tryptamine ab sofort verboten sind

03.12.2025

1. Einleitung – Was heute beschlossen wurde und warum das wichtig ist

Mit dem Beschluss des Bundesrats vom 21.11.2025 zur Sechsten Verordnung zur Änderung der Anlage des Neue‑psychoaktive‑Stoffe‑Gesetzes (NpSG) wird ein weiterer Schritt in der Regulierung neuer psychoaktiver Stoffe (NPS) vollzogen. Die bereits bestehende Anlage des NpSG wird neu gefasst und mehrere Stoffgruppen werden erweitert und präzisiert.

Für die Praxis besonders relevant:

• 1SB‑LSD wird – zusammen mit anderen LSD‑Abwandlungen – durch die veränderte Definition der Δ⁹,¹⁰‑Ergolen‑Gruppe erfasst.

• NB‑DMT und NB‑5‑MeO‑MiPT werden aufgrund ihrer Einordnung in die erweiterte Tryptamin‑Stoffgruppe (Indol‑3‑alkylamine) künftig als von der Anlage erfasste Verbindungen behandelt.

Der Gesetzgeber reagiert damit auf eine Entwicklung, die sich seit Jahren abzeichnet: Der Markt bringt immer neue, minimal veränderte Varianten bekannter Moleküle hervor, deren Wirkprofil dem „Original“ sehr ähnlich ist, die aber formal nicht unter die bestehenden Stoffgruppen fielen. Die heutige Anpassung soll genau diese „Lücken‑Derivate“ schließen – mit dem Ziel, Missbrauch zu begrenzen und die Strafverfolgung zu erleichtern.


2. Chemisch‑strukturelle Hintergründe – warum 1SB‑LSD jetzt erfasst wird

2.1 Δ⁹,¹⁰‑Ergolen als LSD‑Grundstruktur

LSD und seine Derivate lassen sich chemisch auf ein gemeinsames Gerüst zurückführen: das Δ⁹,¹⁰‑Ergolen‑Grundgerüst. Die Anlage des NpSG definiert eine Stoffgruppe für „von Δ⁹,¹⁰‑Ergolen abgeleitete Verbindungen“, die jede Verbindung mit diesem Grundgerüst erfasst, sofern bestimmte Substitutionsregeln eingehalten und eine maximale Molekülmasse von 600 u nicht überschritten wird.

An der N‑1‑Position des Ergolin‑Stickstoffs ist ein Substituent R¹ erlaubt, der sehr weit gefasst wird:

• R¹ darf Kettenstrukturen und über Carbonyl-, Alkyloxycarbonyl- oder Sulfonyl‑Brücken gebundene Ringstrukturen enthalten,

• er kann neben Kohlenstoff und Wasserstoff auch Stickstoff, Sauerstoff, Schwefel, Halogene und explizit auch Silizium enthalten,

• und er darf bis zu 300 u zur Gesamtmasse beitragen.

Diese Kombination aus breiter Elementauswahl, großer erlaubter Masse und flexibler Ketten‑/Ringstruktur ist genau darauf ausgelegt, typische 1‑Substitutionsmuster moderner LSD‑Prodrugs zu erfassen.

2.2 Was bedeutet „1‑Substitution“?

Unter 1‑Substitution versteht man bei LSD‑Derivaten die Substitution am Stickstoff der Ergolin‑Grundstruktur (N‑1). Klassische Beispiele sind:

• 1‑Acyl‑LSD (z. B. 1P‑LSD, 1B‑LSD, 1cP‑LSD usw.)

• 1‑Alkyloxycarbonyl‑LSD

• silylierte Varianten wie 1S‑LSD (1‑silyliertes LSD)

Chemisch bleibt dabei der LSD‑Kern weitgehend erhalten. Die Modifikation sitzt an einer Position, die pharmakologisch relevante Eigenschaften wie Lipophilie, Resorption und Prodrug‑Verhalten beeinflussen kann, ohne das Grundgerüst selbst zu „zerstören“. Die Verordnung begründet die Aufnahme von Silizium bei R¹ ausdrücklich mit dem vermehrten Auftreten von 1S‑LSD und der Notwendigkeit, LSD‑Isomere und eng verwandte Derivate zu erfassen.

2.3 Einordnung von 1SB‑LSD

1SB‑LSD ist strukturell ein typisches 1‑substituiertes LSD‑Derivat.
Es lässt sich vereinfachend als LSD‑Grundgerüst + 1‑Acyl/1‑Alkyloxycarbonyl‑Substituent verstehen. Damit erfüllt 1SB‑LSD genau die Voraussetzungen, die die neue Definition von R¹ an der Ergolen‑Struktur bereitstellt:

• R¹ darf über eine Carbonyl‑ oder Alkyloxycarbonyl‑Gruppe an den Ergolin‑Stickstoff gebunden sein.

• Die nachgeschaltete Kette bzw. das Ringsystem darf vielfältig substituiert sein, solange die Massegrenzen eingehalten werden.

Mit anderen Worten: 1SB‑LSD wird nicht als „neuer Einzelstoff“ verboten, sondern als Spezialfall der nun sehr weit definierten Δ⁹,¹⁰‑Ergolen‑Stoffgruppe. Die Verordnung verfolgt explizit das Ziel, Isomere und 1‑Substitutions‑Derivate mit zu erfassen, um Umgehungen über minimal veränderte LSD‑Prodrugs zu verhindern.


3. Tryptamin‑Erweiterungen – NB‑DMT und NB‑5‑MeO‑MiPT

3.1 Von Tryptamin abgeleitete Verbindungen (Indol‑3‑alkylamine)

Die Stoffgruppe 5.1 „Indol‑3‑alkylamine“ erfasst „von Tryptamin abgeleitete Verbindungen“ mit einem Indol‑Ring und einer Alkylamin‑Seitenkette in 3‑Position. Die Verordnung definiert eine Grundstruktur und erlaubt an den Positionen R¹ bis R⁵ und Rⁿ eine Vielzahl von Substituenten:

• R¹/R² (am Amin): Wasserstoff, Alkyl (bis C6), Cycloalkyl, Cycloalkylmethyl, Allyl sowie Alkyloxycarbonyl‑, Alkylthiocarbonyl- und Alkylcarbamoyl‑Gruppen, wobei auch zyklische Systeme wie Pyrrolidinyl, Piperidinyl oder Morpholinyl zugelassen sind.

• Rⁿ (am Indolring, Positionen 4–7): u. a. Halogene, Alkyl, Alkoxy, Methoxy, Trialkylsilyl, Trifluormethyl, Trifluormethoxy, Acetoxy, Hydroxy sowie eine Methylendioxy‑Brücke.

3.2 NB‑DMT

NB‑DMT bezeichnet in der Regel ein Tryptamin‑Derivat, das auf dem DMT‑Grundgerüst basiert und zusätzlich einen N‑Substituenten (NB‑) trägt – je nach Variante z. B. N‑benzyl oder eine Carbamat‑Schutzgruppe. Aus chemischer Sicht handelt es sich weiterhin um ein Indol‑3‑alkylamin, bei dem:

• die Seitenkette die typische N,N‑dimethylsubstituierte Aminogruppe aufweist,

• und am Stickstoff R¹/R² eine zusätzliche Substituentenfamilie (z. B. Alkyloxycarbonyl / Carbamat) angebracht ist.

Durch die Erweiterung von R¹/R² um Alkyloxycarbonyl‑ und andere Schutzgruppen fällt NB‑DMT nach überwiegender Auslegung in die Tryptamin‑Stoffgruppe 5.1, sofern die Molekülmasse unterhalb der Grenze von 500 u bleibt. 

3.3 NB‑5‑MeO‑MiPT

NB‑5‑MeO‑MiPT kombiniert mehrere bekannte Strukturmotive:

• ein Indol‑Ring mit 5‑Methoxy‑Substitution (5‑MeO),

• eine N‑methyl‑N‑isopropyl‑Ethylamin‑Seitenkette (MiPT‑Motiv),

• plus eine zusätzliche N‑Substitution (NB‑), z. B. wiederum über eine Carbamat‑ oder verwandte Schutzgruppe.

Damit handelt es sich funktionell erneut um ein Tryptamin‑Gerüst mit:

• typischer Indol‑3‑alkylamin‑Grundstruktur,

• erlaubten Substitutionen an R¹/R² (Alkyl + ggf. Alkyloxycarbonyl / Carbamat),

• einer 5‑Methoxy‑Substitution, die über Rⁿ (Alkoxygruppen) ebenfalls ausdrücklich zulässig ist. 

Aus Sicht der Stoffgruppenlogik ist NB‑5‑MeO‑MiPT damit ein klassisches Beispiel dafür, was der Gesetzgeber mit der Fortschreibung der Tryptamin‑Definition erreichen wollte:

Strukturell eng verwandte Tryptamin‑Analoga mit Schutzgruppen oder zusätzlichen N‑Substitutionen sollen nicht mehr außerhalb des NpSG stehen, nur weil sie minimal von bekannten Mustern abweichen.


4. Der gesetzgeberische Prozess – wie aus einem Entwurf ein Verbot wird

Die heute beschlossene Regelung ist eine Rechtsverordnung auf Grundlage des § 7 NpSG, konkret die „Sechste Verordnung zur Änderung der Anlage des NpSG“ (BR‑Drs. 534/25). 

Der Ablauf lässt sich grob in vier Schritte gliedern:

1. Vorbereitung im Bundesministerium für Gesundheit (BMG)

Das BMG erstellt einen Entwurf, in dem die Stoffgruppen technisch‑chemisch formuliert werden. Fachgremien und Sachverständige (z. B. aus Toxikologie, Forensik, Rechtswissenschaft) werden beteiligt. 

2. Bundesratsverfahren

Der Entwurf wird dem Bundesrat als Bundesratsdrucksache zugeleitet (hier: 534/25), Ausschüsse beraten, ggf. werden Änderungen vorgeschlagen. Am Ende stimmt das Plenum des Bundesrats über die Verordnung ab. 

3. Verkündung im Bundesgesetzblatt

Nach Zustimmung des Bundesrats wird die Verordnung vom zuständigen Bundesministerium ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

4. Inkrafttreten

Die Verordnung enthält in der Regel eine Klausel wie „tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft“. Das bedeutet: Rechtswirkung entsteht erst mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt, nicht bereits mit dem Bundesratsbeschluss selbst. 

Für das heutige Verbot heißt das:

Die Stoffgruppenänderungen sind beschlossen, rechtlich wirksam werden sie aber erst, sobald der Text offiziell im Bundesgesetzblatt erscheint – ab diesem Zeitpunkt greift das NpSG‑Verbot auf die neuen Derivate.


5. Rechtliche Konsequenzen – was genau ist verboten und was nicht?

Das NpSG ist kein zweites BtMG, sondern verfolgt einen etwas anderen Ansatz:

• § 3 NpSG enthält ein verwaltungsrechtliches Verbot des Umgangs mit den von der Anlage erfassten NPS (Herstellung, Handel, Inverkehrbringen usw.).

• § 4 NpSG macht bestimmte Verstöße gegen dieses Verbot strafbar (u. a. Handeltreiben, Inverkehrbringen, Verabreichen, Herstellen und Verbringen zum Zweck des Inverkehrbringens). 

Wichtig ist die Grenzziehung beim Besitz:

• Der private Besitz von NpSG‑Stoffen ist – anders als beim BtMG – nicht strafbewehrt.

• Das Verbot richtet sich gegen den verkehrsbezogenen Umgang (Produktion, Lagerhaltung zum Vertrieb, Versand, Handel, gewerbliche Abgabe etc.). 

Für 1SB‑LSD, NB‑DMT und NB‑5‑MeO‑MiPT bedeutet das konkret:

Ab Inkrafttreten ist es verboten, diese Stoffe

• herzustellen,

• in Deutschland in den Verkehr zu bringen,

• zu handeln oder als Ware zu vertreiben,

• zum Zweck des Inverkehrbringens zu importieren.

 

• Der Besitz von vor Inkrafttreten rechtmäßig erworbenen Proben bleibt nicht strafbar, kann aber – je nach Kontext – im Einzelfall dennoch rechtliche Fragen aufwerfen (z. B. bei gewerblich geprägter Lagerhaltung).

Der Gesetzgeber formuliert es so, dass das Verkehrsverbot auf alle Stoffe ausgeweitet wird, die unter die fortgeschriebenen Stoffgruppen fallen, und dass damit insbesondere die Strafverfolgung gegen unerlaubten Handel erleichtert wird. 


6. Zusammenfassung und Ausblick

Mit dem heutigen Beschluss zur 6. NpSG‑Anlagenverordnung setzt der Gesetzgeber den gruppenbasierten Regulierungsansatz konsequent fort:

• Die LSD‑Stoffgruppe (Δ⁹,¹⁰‑Ergolen) wird so erweitert, dass 1‑substituierte Derivate wie 1SB‑LSD künftig eindeutig erfasst sind.

• Die Tryptamin‑Stoffgruppe (Indol‑3‑alkylamine) wird präzisiert und um Schutzgruppen‑Varianten ergänzt, sodass NB‑DMT und NB‑5‑MeO‑MiPT aufgrund ihrer strukturellen Nähe zu regulierten Tryptaminen unter die neue Definition fallen. 

• Der Bundesratsbeschluss ist der Schlüsselpunkt, die tatsächliche Rechtswirkung tritt jedoch erst am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt ein.

Für Forschung, Szene und Handel bedeutet das:

• Forschungs- und Referenzmaterialien auf Basis dieser Strukturen werden künftig nicht mehr regulär im Markt erhältlich sein, sofern sie unter die NpSG‑Stoffgruppen fallen.

• Seriöse Anbieter werden den Vertrieb mit Inkrafttreten einstellen müssen und sich – sofern rechtlich möglich – auf nicht erfasste, legale Forschungschemikalien konzentrieren.

• Für die wissenschaftliche Beschäftigung mit diesen Stoffen wird es stärker auf zugelassene Forschungsinstitutionen und ggf. BtMG‑basierte Ausnahmegenehmigungen ankommen.

Gleichzeitig ist absehbar, dass sich der Markt – wie in der Vergangenheit – weiter in Richtung neuer, bislang nicht erfasster Strukturen bewegen wird. Die heutige Verordnung zeigt aber deutlich, dass der Gesetzgeber bereit ist, Stoffgruppen dynamisch nachzuschärfen, sobald neue Strukturen eine ähnliche Gefährdungslage wie bekannte NPS aufweisen.


Hinweis: Dieser Artikel dient der fachlichen Einordnung und ersetzt keine Rechtsberatung. Maßgeblich sind ausschließlich die amtlichen Fassungen des NpSG und der zugehörigen Verordnungen nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt.